Die Erdölwirtschaft im Landkreis Celle

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Wintershall Dea History NS Times Celle
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Deutsches Erdölmuseum Wietze

Der Schachtplatz des DEA-Standorts Wietze (Landkreis Celle) im Jahr 1938.

Erdöl aus Celle. Ein Rohstoff für die nationalsozialistische Aufrüstungspolitik und Kriegsführung

Dominik Dockter, Dr. Jana Stoklasa, Dr. Christian Hellwig und Dr. Rita Seidel
(Institut für Didaktik der Demokratie, Leibniz Universität Hannover)

Im Stadt- und Landkreis Celle gab es eine lange Fördertradition: Bereits im 17. Jahrhundert wurde in Wietze Erdöl gewonnen, 1858/59 fand dort eine der weltweit ersten Erdölbohrungen statt. Bis in die 1920er Jahre stieg Wietze zu einem zentralen Produktionsstandort der deutschen Erdölindustrie auf, was die wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und sozialen Gegebenheiten der Region nachhaltig veränderte: Die Erdölfelder Obershagen, Hänigsen und Nienhagen waren Mitte der 1930er Jahre die ergiebigsten Erdölfelder Deutschlands. 

Trotz grundsätzlicher historischer Studien zur deutschen Ölpolitik ist dieser zentrale Aspekt der Regionalgeschichte des Land- und Stadtkreises Celle bislang noch nicht untersucht worden. Das Projektteam des IDD analysiert daher die politischen, sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen, Wechselbeziehungen und Auswirkungen der Erdölförderung im Raum Celle in den Jahren 1933 bis 1945 und gibt einen Ausblick auf die Zeit nach dem Kriegsende. 

DOMINIK DOCKTER vergleicht die Berufsbiografien der Unternehmer Karl Große, Günther Schlicht, Hermann von Rautenkranz und Hans Brochhaus, die alle in den 1930er Jahren in Erdölbetrieben im Stadt- und Landkreis Celle leitend tätig waren. Dockter untersucht, welche Möglichkeitsräume der Nationalsozialismus für die Unternehmer bot, wie sie diese Räume nutzten und sich damit an den verbrecherischen Praktiken des Nationalsozialismus beteiligten. Auch welche Bedeutung der Erdölstandort Celle in dieser Entwicklung hatte und wie sich die Unternehmer nach 1945 zu ihrem Agieren im „Dritten Reich“ positionierten, werden erforscht. Durch die vergleichende Analyse werden Spezifika aber auch Gemeinsamkeiten herausgestellt, die eine differenzierende Deutung des Handels maßgeblicher Erdölunternehmer aus dem Stadt- und Landkreis Celle während der NS-Zeit möglich machen. 

JANA STOKLASA widmet sich der sozialen Arbeitswirklichkeit und der nationalsozialistischen Betriebspolitik der DEA am Standort der Mineralölwerke Wietze. Nach drastischen personellen und sozialpolitischen Einschnitten infolge der Weltwirtschaftskrise, verbesserten sich mit der wirtschaftlichen Erholung z.T. auch die Arbeitsbedingungen der Belegschaft. Neue arbeitsrechtliche Regelungen und Maßnahmen zur Förderung der Betriebsgemeinschaft sollten die Regimeloyalität der Belegschaft steigern. Gleichzeitig stellten diese Maßnahmen die Belegschaft unter Druck, sich der nationalsozialistischen Betriebspolitik anzupassen. 

Im Zweiten Weltkrieg verschlechterten sich die Arbeitsbedingungen durch Sparmaßnahmen, Zwangsarbeit und Einberufungen drastisch. Die Anpassung an das NS-Regime kulminierte dann zu Kriegsende im militärischen Einsatz der „Gefolgschaft“ beim Volkssturm in Wietze sowie bei der Besetzung des Betriebsgeländes durch die britischen Alliierten. Am Beispiel des DEA-Betriebs in Wietze kann die vielseitige Verflechtung von politischen, unternehmerischen und sozialen Interessen in den Erdölbetrieben des Stadt- und Landkreises Celle während der "Dritten Reiches" erfasst werden. 

In dem von CHRISTIAN HELLWIG bearbeiteten Teilbereich steht die Auseinandersetzung mit dem Einsatz von Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiten bei den Erdöl fördernden Betrieben im Fokus, die im Land- und Stadtkreise Celle ansässig waren. So lässt sich für DEA allein anhand der in den Arolsen Archives überlieferten Quellenbestände die Beschäftigung von 206 ausländischen Arbeitskräften nachweisen, die bis zum 10. April 1945 am Standort Wietze tätig waren. Trotz der lückenhaften Quellenüberlieferung verdeutlichen bereits die heute noch existierenden Quellen auch in diesem Fall, dass es sich bei dem nationalsozialistischen System von Zwangsarbeit und Ausbeutung um ein umfassendes Gesellschaftsverbrechen handelte, das sich keineswegs im Verborgenen, sondern in der Öffentlichkeit abspielte. 

RITA SEIDEL untersucht die Geschichte des Reichsinstituts für Erdölforschung an der Technischen Hochschule Hannover und geht sowohl aus wissenschaftsgeschichtlicher als auch aus wirtschafts- und regionalhistorischer Perspektive der Frage nach, welche Rolle das Institut für die nationalsozialsozialistische Aufrüstungspolitik und Kriegsführung spielte. Das Institut war eine Einrichtung des „Vierjahresplans“, mit dem die Autarkiebestrebungen und Kriegsvorbereitungen des NS-Regimes vorangetrieben wurden. Das 1943 eröffnete Institut erhielt eine groß angelegte personelle und finanzielle Ausstattung. In der Bundesrepublik Deutschland arbeitete es auf der Basis der in den 1940er Jahren gelegten Grundlagen kontinuierlich weiter. 

Über das Forschungsprojekt

Im Mittelpunkt des am Institut für Didaktik der Demokratie (Leibniz Universität Hannover) durchgeführten Forschungsprojektes steht die Auseinandersetzung mit der Geschichte der Erdölförderung im Stadt- und Landkreis Celle von den 1930er bis zu den 1950er Jahren.  Das drittmittelfinanzierte Projekt wird vom Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur im Rahmen des Programms PRO*Niedersachsen gefördert. Wichtiger Kooperationspartner ist das Deutsche Erdölmuseum Wietze. Weitere Informationen zu dem laufenden Forschungsprojekt finden sich auf der Homepage sowie auf dem Blog des Institutes für Didaktik der Demokratie.