Der DEA-Standort Rositz Prof. Dr. Manfred Grieger

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Wintershall Dea History NS Times Rositz Hero
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Wintershall Dea

Luftaufnahme des DEA-Standortes Rositz (heute: Sachsen-Anhalt), vermutlich aus dem Jahr 1925 

Der Standort Rositz als Beispiel für die dezentrale Organisation der DEA

Prof. Dr. Manfred Grieger
(Georg-August-Universität, Göttingen)

Der nach 1916 zwischen Borna (Sachsen) und Altenburg (Thüringen) entstandene Standort zur Erzeugung von Heizöl aus teerhaltiger Braunkohle resultierte aus der kriegswirtschaftlichen Nachfrage der Marine nach Heizöl und anderen Ölprodukten. Während der Weimarer Republik nur schwach ausgelastet, blieb die Marine ein wichtiger Abnehmer. 

 

Hoffen auf einen Aufschwung

Nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten, vor allem aber aus der Aufrüstung und der damit verschränkten Autarkiepolitik ergaben sich Wachstumsimpulse, woraufhin eine wesentliche Erweiterung der Erzeugungskapazitäten in Angriff genommen wurde. Dabei machte die Marine wichtige Vorgaben zur Produktqualität, stellte aber auch Kredite und Zuschüsse für den Ausbau der Werksanlagen zur Verfügung.

Insoweit bestand nach 1933 eine Interessenkongruenz zwischen Unternehmen und NS-Regime, denn der DEA/DPAG-Standort gehörte eindeutig zu den Nutznießern der Rüstungskonjunktur. Dem bisherigen Recherchestand nach gehörte keiner der Rositz-Manager vor 1933 der NSDAP an, wenngleich Dr. Hans Hase, später stellvertretendes Vorstandsmitglied noch im weiteren Jahresverlauf förderndes Mitglied der SS und NSDAP-Mitglied wurde. 1937 stieß auch Dr. Hans Collischonn, 1940 Fritz Craichen zur NSDAP. 

Parallel zum politischen Annäherungsprozess der einen, bestanden mit anderen DEA-Managern Konflikte, etwa wenn dem Prokuristen Franz Landwehr 1934 im Zusammenhang mit der Zusammenlegung der Altenburger und Bornaer Bergbauverwaltung in Borna vorgeworfen wurde, in der „System-Zeit“ die NSDAP ausdrücklich von Zuwendungen ausgeschlossen zu haben. Ein Explosionsunglück bot wiederum im April 1939 NSDAP-Gauleiter Martin Mutschmann den Anlass, das fehlende sozialpolitische Profil der DEA zu beklagen, um sich gegen den DEA-Zugriff auf Kohlefelder der staatlichen Aktiengesellschaft Sächsische Werke zu positionieren.

Der Kriegsbeginn und die Erhöhung der Heizöl- sowie der Benzin- und Diesel-Erzeugung auf schließlich mehr als 270.000 Jahrestonnen vertieften die Beziehungen zur Marine weiter, die de facto die gesamte Produktion abnahm. 

 

Zahl der Zwangsarbeiter stieg mit Kriegsbeginn

Während sich das Unternehmen über den Absatz der Produkte keine grundlegenden Gedanken machen musste, zog der Abgang deutscher (Fach)Kräfte die Rekrutierung von (ausländischen) Arbeitskräften nach sich. Zunächst erfolgte die Anwerbung von Zivilarbeitern aus dem verbündeten Italien und Kroatien oder von Tschechen aus dem Protektorat Böhmen. Dann kam es im Industriekomplex Rositz zur allmählichen Integration von Zwangsarbeitsgruppen wie Kriegsgefangenen oder rassistisch diskriminierten Osteuropäern. Deren Anteil an der Belegschaft stieg bis Mitte 1944 auf rund ein Drittel an. Im Zusammenhang mit der Heranziehung von Zwangsarbeitern zeigten sich im DEA-Komplex viele der für die NS-Zwangsarbeit charakteristischen Aspekte, wie Mangelernährung, Massenunterkünfte, Diskriminierung, Strafen bis hin zur Erschießung eines „Ostarbeiters“, der im Herbst 1942 außerhalb des Lagers beim Kartoffelstehlen gestellt wurde.

 

Zwangsarbeiter sollten zerstörte Raffinerie wiederaufbauen

Die weitgehende Zerstörung der Raffinerieanlagen sowie der Transportwege durch alliierte Luftangriffe legte ab Mitte August 1944 die Erzeugung lahm. Da aber die Heizöl- und Kraftstofferzeugung eine der Achillesfersen der deutschen Kriegswirtschaft darstellte, schaltete sich mit dem Gelsenberg-Stab eine der NS-Sonderinstanzen ein, die für die Zuführung von zusätzlichen (Zwangs)Arbeitskräften sorgte. Hierdurch verdoppelte sich die Zahl der vor Ort für die DEA Tätigen auf mehr als 3.300 Personen. 

Zu den neu zugeführten Arbeitern gehörten im Rahmen des Einsatzes der Organisation Todt auch mehr als 420 zuvor von dem Völkermord ausgenommene deutsche Juden und jüdische „Mischlinge“. Deren intensivierte Ausbeutung konnte aber die Raffinerie nicht mehr in Gang setzen, da erneute Bombenangriffe den erreichten Reparaturstand wieder zerstörten. 

Die Betriebsleitung legte kurz vor dem Erreichen der US-Truppen großen Wert darauf, möglichst viele Zwangsarbeiter, insbesondere die Juden, aus Rositz abzutransportieren, um den Betrieb nicht als Nutznießer des NS-Zwangsarbeitssystems oder gar der Ausbeutung von Juden erscheinen zu lassen.

Wintershall Dea Historical Congress Speaker Grieger
Wintershall Dea Historical Congress Speaker Grieger
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Wintershall Dea/Bernd Schoelzchen

Zur Person

Professor Dr. Manfred Grieger ist Wirtschaftshistoriker und Honorarprofessor an der Georg-August-Universität in Göttingen. Von 1998 bis 2016 war er Leiter der Historischen Kommunikation in der Konzernkommunikation bei Volkswagen. Zuvor hatte Grieger mit der Arbeit „Das Volkswagenwerk und seine Arbeiter im Dritten Reich, 1933-1948“ zum Dr. phil. promoviert. Grieger ist Mitglied in der Historischen Kommission für Niedersachsen und Bremen sowie im Arbeitskreis für kritische Unternehmens- und Industriegeschichte.