Wasserstoff aus Erdgas

Positionspapier vom August 2022: Wasserstoff aus Erdgas als wichtiger Baustein für die Dekarbonisierung des Energiesystems und der Industrie.

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Wasserstoff: Antrieb für die Zukunft
Wasserstoff: Antrieb für die Zukunft
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Getty Images

Deutschland hat sich zum Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2045 klimaneutral zu sein. Und es hat auch den Weg dahin aufgezeigt: Neben dem Ausbau der erneuerbaren Energien soll Wasserstoff als gasförmiger Energieträger der Pfeiler einer sicheren und dekarbonisierten Energieversorgung sein.

Brauchen große Mengen Wasserstoff: Schwerindustrie und Transportsektor

Insbesondere die Schwerindustrie ist für ihre Dekarbonisierung auf große Wasserstoffmengen angewiesen. Der Wasserstoffbedarf kann in Deutschland bis 2050 auf bis zu 500 TWh jährlich ansteigen – diese Energiemenge entspricht dem heutigen Nettostromverbrauch Deutschlands pro Jahr. In wichtigen Industriezweigen, wie der Stahl-, Zement- oder Chemieindustrie, werden in Prozessen heute fossile Energieträger genutzt. Einige dieser Prozesse lassen sich auch in Zukunft nicht vollständig oder nur durch einen sehr hohen Einsatz von Ressourcen elektrifizieren.

Das gilt auch für den Transportsektor, der für rund ein Viertel aller Treibhausgasemissionen in der EU verantwortlich ist.1 Schwerlasttransporter sind für mehr als ein Viertel dieser Emissionen ursächlich.2 Unter anderem aufgrund ihres hohen Gewichts und der langen zurückgelegten Stre­cken, lassen sich diese Fahrzeuge besonders schwer nur durch Elektrifizierung dekarbonisieren. Mobile und dezentrale Lösungen aus Wasserstoff können hier entscheidend helfen. Wasserstoff verbrennt emissionsfrei und ist flexibel einsetzbar.

Wintershall Dea Gasbedarf
Wintershall Dea Gasbedarf
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Wintershall Dea

Mit Wasserstoff die Energieversorgung sichern

Die deutsche Politik setzt dabei vor allem auf Wasser­stoff, der mit Strom aus erneuerbaren Energien und Wasser produziert wird. Um den erwarteten jährlichen Bedarf Deutschlands von 90 bis 110 TWh bis 2030 zu de­cken, reicht das Tempo beim Ausbau der Erneuerbaren allerdings nicht aus: denn der Bedarf an grünem Strom bei dieser Art der Wasserstoffproduktion ist groß. Mit den Ausbauzielen der erneuerbaren Energien für die Wasserstofferzeugung im Koalitionsvertrag werden nur rund 28 TWh pro Jahr erreicht, also rund ein Drittel des erwarteten Bedarfs. Und betrachtet man die Was­serstoffproduktion im Jahr 2020, werden lediglich sie­ben Prozent im Elektrolyseverfahren aus erneuerbaren Energien hergestellt.3

Den Weg in die Wasserstoffwirtschaft gestalten

Es ist jetzt die Aufgabe sowohl der Politik als auch der Energiewirtschaft, die Energieversorgung zukunftsfest zu machen und einen stabilen Wasserstoffmarkt aufzubauen. Dieser kann nur entste­hen, wenn neben Wasserstoff aus erneuerbaren Energien auch solcher aus weiteren Quellen wie Erdgas zur Verfügung steht, hergestellt mit klimaschonenden Produktionsverfahren. Mit Techno­logien wie der Dampfreformierung zusammen mit der Abspaltung und Speicherung von CO2 (CCS) oder der Pyrolyse kann Wasserstoff aus Erdgas klimaschonend und in großen Mengen hergestellt werden und so Industrien in Deutschland, Europa und anderen Teilen der Welt helfen, Emissionen zu reduzieren.

Wintershall Dea möchte sich als Architekt für den Wasserstoffmarkt der Zukunft einbringen. Wir fördern das benötigte Erdgas aus verschiedenen Quellen in Nord-West-Europa und Nord-Afrika und verfügen über das Know-how, um die Wasserstoff-Infrastruktur mit aufzubauen. Wir haben Er­fahrungen im Pipelinebau und -betrieb und arbeiten seit Jahrzehnten eng mit den Betreibern von Erdgaspipelines und -speichern zusammen, deren Infrastruktur perspektivisch auch für den Trans­port und die Speicherung von Wasserstoff genutzt werden kann.

Wasserstoffproduktion an der Nordseeküste im Großformat

In Wilhelmshaven, an der deutschen Nordseeküste, planen wir für deutsche Industriekunden Was­serstoff aus norwegischem Erdgas zu produzieren und damit künftig über 200.000 Kubikmeter Was­serstoff pro Stunde liefern zu können. Das sind 160.000 t/a oder 5,6 TWh pro Jahr. Zum Vergleich: Das entspricht etwa dem dreifachen Energieverbrauch des Wolfsburger Volkswagenwerks im Jahr 2019. Das anfallende CO2 soll von Wilhelmshaven aus per Schiff zu verschiedenen Lagerstätten in der norwegischen, dänischen oder niederländischen Nordsee gebracht werden, wo es sicher unter dem Meeresboden eingelagert wird.

Für die dezentrale Produktion von Was­serstoff ist das Pyrolyse-Verfahren ge­eignet. Bei diesem Prozess wird bei hohen Temperaturen der Hauptbestandteil von Erdgas Methan in Wasserstoff und festen Kohlenstoff aufgespalten. Neben dem Wasserstoff kann auch der anfallende feste Kohlenstoff genutzt werden – etwa für Partikel in Tinten und Farben oder auch zur Herstellung von Kunststoff und Gummi. Wintershall Dea ist an mehreren Pyrolyse-Forschungsprojekten beteiligt, unter anderem mit dem Karlsruher Insti­tut für Technologie.

Wintershall Dea Hydrogen CCS Hero
Wintershall Dea Hydrogen CCS Hero
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Wintershall Dea

Unsere Handlungsempfehlungen

Mit diesen Maßnahmen kann der Hochlauf eines Wasserstoffmarktes gelingen:

#1 Alle verfügbaren Technologien müssen genutzt und gleichzeitig politisch unterstützt werden, damit ausreichend Wasserstoff dem Markt zur Verfügung gestellt werden kann: Elektrolyse, Dampfreformierung mit CCS und Pyrolyse.

#2 Die Wasserstoff-Infrastruktur muss jetzt geplant und gebaut werden, damit sie in den nächs­ten Jahren zur Verfügung steht. Dafür müssen Genehmigungsverfahren beschleunigt werden.

#3 Carbon Contracts for Difference (CCfD) sollten auch Wasserstoff aus Erdgas als Instrument zur Dekarbonisierung zulassen. CCfD sind „Differenzverträge“, die ursprünglich aus der Fi­nanzbranche kommen und Investitionen in klimafreundliche Verfahren ermöglichen. Für Branchen wie die Energie-, Stahl-, und Chemieindustrie sind solche Investitionen besonders herausfordernd und benötigen daher Unterstützung, da der Einsatz neuer Technologien meist teurer ist als konventionelle Herstellungsverfahren

#4 Die Politik sollte Forschungsprojekte unterstützen, um Wasserstoff-Technologien weiterzu­entwickeln und neue Standards zu setzen.

#5 Für die Beschleunigung des Wasserstoffmarktes braucht es eine gesamteuropäische und internationale Strategie, um Erzeugungskapazitäten von Wasserstoff hochzufahren. Europa muss hier zusammenarbeiten.