Das Erbe bewahren

Der Rechtsvorgänger der DEA wird als Deutsche Tiefbohr-Actiengesellschaft (DTA) gegründet. Geschäftsführer des Lohnbohrunternehmens ist Rudolf Nöllenburg. Bald folgen eigene Projekte, auch die erste fündige Ölbohrung. 1906 wird Erdöl zum Hauptgeschäftsfeld, ab 1911 firmiert man als Deutsche Erdöl-Aktiengesellschaft (DEA).

In Pechelbronn im Elsass bringt DEA den ersten Ölschacht der Welt nieder: der Schacht Nöllenburg. Bis dahin wurde Öl entweder oberflächennah oder mithilfe von Bohrungen gewonnen. Beim aufwändigen Schachtbauverfahren dagegen wird Öl mithilfe eines unterirdischen Hohlraums bergmännisch gefördert.

Wintershall, inzwischen zum größten deutschen Kalikonzern aufgestiegen, expandiert ab 1931 in die Erdölförderung. Der erste Schritt führt nach Nienhagen bei Hannover. Dort ist auch die DEA aktiv, sodass beide Unternehmen mit benachbarten Fördertürmen erstmals direkt in Konkurrenz zueinander treten.

Zwischen 1933 und 1945 profitieren Wintershall und DEA als für die Kriegswirtschaft strategisch wichtige Unternehmen von der Machtübernahme der Nationalsozialisten. Beide Firmen beuten Zwangsarbeiter aus und beteiligen sich an der Nutzung eroberter Erdölvorkommen in Ost- und Südeuropa.

Um dieses dunkle Kapitel der Unternehmensgeschichten aufzuarbeiten, sich kritisch damit auseinanderzusetzen und Verantwortung zu übernehmen, initiiert Wintershall 2018 mit der Gesellschaft für Unternehmensgeschichte eine Aufarbeitung der Rolle von Wintershall im Nationalsozialismus. 2022 wird eine Studie zur DEA begonnen.

Die junge Bundesrepublik bekommt einen neuen Industriezweig: Wintershall und DEA entdecken 1951 und 1952 Erdgasvorkommen in Rehden und Pfungstadt. Das Erdgasgeschäft gewinnt stetig an Bedeutung – auch, da die Ölpreiskrise von 1973/74 eine Verringerung der Abhängigkeit von arabischen Ölquellen ratsam erscheinen lässt.

Ihre Expansion ins Ausland starten Wintershall und DEA nach dem Zweiten Weltkrieg zusammen. Ab 1954 beteiligen sie sich an der Erschließung von Erdöl- und Erdgasvorkommen im peruanischen Urwald. Später kooperieren beide Unternehmen unter anderem in Libyen, Oman und Dubai.

Über die DEMINEX, einem Gemeinschaftsunternehmen der deutschen Mineralölindustrie für die Auslandsförderung, expandiert die DEA nach Norwegen. Ziel sind die Öl- und Gasvorkommen auf dem norwegischen Kontinentalschelf. Sie sollen sich später zu einer der wichtigsten Energiequellen Europas entwickeln.

In den Feldern Ras Budran, Ras Fanar und Zeit Bay beginnt 1983/84 die Erdölförderung. Damit belohnt sich der DEA-Vorgänger DEMINEX für zehn Jahre Arbeit vor der ägyptischen Küste.

Die Ölpreiskrisen der 1970er-Jahre sorgen für einen neuen Schub bei der Erschließung heimischer Erdölvorkommen. Ab 1985 entwickeln Wintershall und DEA  das größte deutsche Ölfeld Mittelplate vor der Nordseeküste Schleswig-Holsteins. 1987 nimmt die extra für die Schutzbedürfnisse des Wattenmeeres konzipierte Bohr- und Förderinsel die Arbeit auf.

Wintershall schließt mit dem russischen Unternehmen Gazprom eine langfristige Vereinbarung über die Vermarktung von russischem Erdgas in Deutschland. Das markiert den Beginn einer Zusammenarbeit. Diese umfasst Pipelineprojekte und Joint Ventures zur gemeinsamen Produktion von Gas und Öl in Russland. Sie endet mit dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine im Jahr 2022.

Die DEMINEX wird aufgelöst, ihre Standorte werden unter den Eigentümern aufgeteilt. Wintershall übernimmt die Aktivitäten in Russland, Aserbaidschan und Argentinien, DEA jene in Ägypten und Norwegen – fast alle dieser Länder gehören auch nach der Fusion 2019 noch zu den Kernregionen von Wintershall Dea.

Auch Wintershall ist in Norwegen aktiv: Als Betriebsführer des Ölfelds Brage. Mit dem ersten eigenoperierten Projekt auf dem norwegischen Kontinentalschelf sowie Beteiligungen an den Feldern Gjøa und Vega wird das Geschäft deutlich ausgebaut: Die Tagesproduktion klettert von 3.000 auf 40.000 Barrel – und das Unternehmen hat 240 Mitarbeiter:innen mehr.

Asset-Tausch mit Gazprom: Wintershall steigt in die Erschließung zweier weiterer westsibirischer Erdgas- und Kondensatblöcke ein. Im Gegenzug überträgt das Unternehmen sein Erdgashandel- und Speichergeschäft vollständig an Gazprom und konzentriert sich auf seine Upstream-Tätigkeit.

Markteinstieg in Mexiko: DEA Deutsche Erdoel AG übernimmt 50 Prozent an dem produzierenden Onshore-Ölfeld Ogarrio und zugleich die Betriebsführerschaft. Außerdem erwirbt das Unternehmen Anteile am Block 2 im Golf von Mexiko. In nur einem Jahr baut es sich dank weiterer Beteiligungen eine bedeutende Position im nationalen Upstream-Markt auf.

Aus Wintershall und DEA Deutsche Erdoel AG wird Wintershall Dea. Durch die Fusion entsteht Europas führendes unabhängiges Gas- und Ölunternehmen. Es hat Lizenzen weltweit, rund 3.000 Mitarbeiter:innen und startet mit einer täglichen Produktionsmenge von 575.000 Barrel Öläquivalent.

Wintershall Dea und der Energiekonzern Equinor starten das Projekt NOR-GE. Ziel ist es, als Beitrag zur Energiewende eine umfassende und sichere Wertschöpfungskette für die Abscheidung, den Transport vom europäischen Festland und die untermeerische Speicherung von CO2 (Carbon Capture and Storage - CCS) in der Nordsee zu entwickeln.

Wintershall Dea zieht sich wegen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine vollständig aus Russland zurück. Das Unternehmen hat entschieden, das Land in geordneter Weise und unter Einhaltung aller anwendbaren rechtlichen Verpflichtungen zu verlassen.

Der damalige Wintershall Dea CEO Mario Mehren sagt: „Wintershall Dea wird ihre Aktivitäten in Russland beenden. Eine Fortführung unseres Geschäftes in Russland ist nicht haltbar. Russlands Angriffskrieg ist nicht vereinbar mit unseren Werten. Er hat die Zusammenarbeit zwischen Russland und Europa zerstört.“

Im Projekt „Greensand" wird erstmals in der EU die gesamte CCS-Wertschöpfungskette umgesetzt: Im März 2023 werden die ersten CO2-Injektionen über die Nini-Plattform vor der dänischen Küste erfolgreich abgeschlossen. Als führendes Mitglied des Konsortiums kooperiert Wintershall Dea mit Betreiber INEOS Energy und über 20 Partnern.

BASF, LetterOne und Harbour Energy plc vereinbaren am 21. Dezember 2023 eine Übertragung des E&P-Geschäfts von Wintershall Dea an Harbour Energy plc. Weder die Aktivitäten mit Russland-Bezug noch die Hauptverwaltungssitze von Wintershall Dea und deren Mitarbeitende sind Teil der Transaktion.

Am 3. September 2024 wurde das E&P-Geschäft ohne Russland-Bezug von Wintershall Dea an Harbour Energy plc übertragen. Zu den Hauptaufgaben von Wintershall Dea gehören nun die Veräußerung der verbleibenden Vermögenswerte, das Erbringen von Übergangsdienstleistungen für Harbour Energy und die Schließung der Hauptverwaltungen in Kassel und Hamburg.