Klimaziele erreichen mit Wasserstoff

Positionspapier vom Mai 2019 von Wintershall Dea zum Potenzial von Wasserstoff in der Energiewende.

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Positionspapier Wasserstoff Wintershall Dea
Positionspapier Hydrogen Wintershall Dea
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#1: Hintergrund

Der Energieträger Wasserstoff, häufigstes chemisches Element des Universums, steht aktuell im Fokus der Aufmerksamkeit. Das Gas mit der Formel H2 wurde 1766 entdeckt. Heute ist es ein möglicher Schlüssel für das Erreichen der Klimaziele. Dabei weitet sich der Blick von der bekannten und bewährten Rolle von Wasserstoff in zahlreichen industriellen und technischen Prozessen (Herstellung von Düngemitteln und Grundchemikalien, petrochemische Prozesse, Verhüttung von Erzen etc.) hin zur Frage, welche Rolle Wasserstoff bei der Dekarbonisierung des Energiesektors spielen kann.

Das Interesse am Thema Wasserstoff vereint eine Vielzahl von Stakeholder – national wie international. Intensiv beschäftigt sich der aktuelle World Energy Outlook (WEO 2018) mit dem Thema und hebt die Vorteile der Speicherbarkeit, der zahlreichen Anwendungsbereiche sowie der Klimafreundlichkeit von Wasserstoff hervor. Die Einsatzmöglichkeiten für Wasserstoff sind vielfältig: als Treibstoffalternative im Mobilitätssektor, in der Erzeugung elektrischen Stroms mit Brennstoffzellen oder durch den Umbau bestehender Gaskraftwerke sowie als Speichermedium für Überschussstrom aus erneuerbaren Energien (Power-to-Gas).

Auf europäischer Ebene untersucht die Europäische Kommission den möglichen Beitrag von Wasserstoff zur Dekarbonisierung des Energiesektors. Zahlreiche Länder bekräftigen ihr Interesse, z.B. durch die Formulierung eigener Wasserstoffstrategien (Island, Japan, Frankreich) oder durch den geplanten Aufbau einer Wasserstoffindustrie (China), teilweise wird sogar der Übergang in eine Wasserstoffgesellschaft angestrebt (Japan). Auch die deutsche Regierung zeigt starkes Interesse – aktuell im Dialogprozess Gas 2030, der am Ende in eine Gasstrategie münden soll. Nicht zuletzt setzen schon heute zahlreiche Akteure aus der Energiewirtschaft auf den Einsatz von Wasserstoff im Energiesystem der Zukunft.

So groß das grundsätzliche Interesse am Thema Wasserstoff ist, so unterschiedlich sind die Positionen und Einschätzungen im Detail. Ein wichtiger Grund hierfür: Wasserstoff kommt in der Natur fast ausschließlich in gebundener Form vor, zur Herstellung muss man zunächst Energie investieren. Dies kann auf unterschiedlichste Weise geschehen.

Aktuell wird der größte Teil des Wasserstoffs durch Methanreformierung (Dampfreformierung) aus Erdgas gewonnen. Möglich ist aber auch – neben anderen Methoden – die Gewinnung durch Wasserstoff-Elektrolyse auf Basis erneuerbarer Energie oder die Erzeugung im Wege der sogenannten Methanpyrolyse. In diesem auch im WEO 2018 erwähnten Verfahren wird Erdgas thermisch in einem Hochtemperaturreaktor in seine Bestandteile Wasserstoff und Kohlenstoff zerlegt – ohne CO2-Emissionen.

Ganz unterschiedlich sind die Einschätzungen der Stakeholder zu den (zukünftigen) Kosten, Potenzialen und Risiken der unterschiedlichen Methoden der Wasserstoffgewinnung und zur Rolle, die Wasserstoff am Ende in einem dekarbonisierten Energiesystem spielen kann.

#2: Positionen

  • Das Interesse am Thema Wasserstoff zeigt, dass eine richtige Einsicht auf allen Ebenen angekommen ist: Nur eine „Zwei-Energieträger-Welt“ auf Basis von Strom und Gas (in allen Formen) garantiert, dass in einem Industrieland Versorgungssicherheit jederzeit garantiert werden kann. Eine Vollelektrifizierung des Energiesystems auf Basis erneuerbarer Energien ist der falsche Weg und weder technologisch noch wirtschaftlich umsetzbar.
  • Eine „Zwei-Energieträger-Welt“ hat den Vorteil, dass Klimaschutz zu vergleichsweise niedrigen Kosten ermöglicht und die gesellschaftliche Akzeptanz durch die Weiternutzung bestehender Infrastrukturen (Gas und Wärme) gesichert wird.
  • Bei allem Nachdenken über Alternativen darf die Rolle von Erdgas als günstiger Klimaschutzmotor mit oft niedrigsten CO2-Vermeidungskosten und einem enormen CO2-Vermeidungspotenzial nicht vernachlässigt werden – auch unter dem Blickwinkel der sozialen Gerechtigkeit beim Klimaschutz sowie der Sicherung der Versorgung nach dem jetzt eingeleiteten Kohleausstieg. Eine neuere Studie (Ecofys, Oktober 2018) beziffert das CO2-Vermeidungspotenzial durch einen „Fuel-Switch“ zu Erdgas auf 188 Mio. Tonnen CO2 /Jahr in Deutschland (bei ca. 900 Mio. Tonnen Gesamtemissionen in Deutschland).
  • Um auch in Zukunft eine wirtschaftlich und gesellschaftspolitisch akzeptable Versorgung mit Energie sicherzustellen, kann Wasserstoff neben anderen Grüngasen und Erdgas selbst bei der weiteren Dekarbonisierung des Energiesektors eine wichtige Rolle spielen – auch wenn konventionelles Erdgas als Ausgangsstoff dient. Ein im WEO 2018 betontes Beispiel ist etwa die verstärkte Beimischung von Wasserstoff im Gasleitungssystem.

#3: Forderungen

  • Alle Arten der Wasserstoffgewinnung müssen gleichbehandelt werden, ob aus erneuerbaren Energien oder aus Erdgas. Deswegen brauchen wir einen technologieoffenen Ansatz! Unterschiedliche Förderungen – auch im Forschungsbereich – oder eine diskriminierende regulatorische Behandlung sind unbedingt auszuschließen.
  • Der Begriff „grünes Gas“ darf nicht verengt gesehen werden. Aus Erdgas gewonnener Wasserstoff, wenn dieser wie beim Verfahren der Methanpyrolyse ohne CO2-Emissionen gewonnen wird, muss ebenso eingeschlossen sein wie Wasserstoff aus erneuerbaren Energien und grundsätzlich erneuerbares Gas. Eine offene Sichtweise ist auch deshalb notwendig, weil bei einem langfristigen Übergang in eine „Wasserstoffgesellschaft“ alle Quellen für die Gewinnung von Wasserstoff gebraucht werden und sich zudem Ausfallrisiken minimieren lassen. Schließlich muss das Ziel sein, die CO2-Emissionen bei der Energieversorgung unter Berücksichtigung wirtschaftlicher Kriterien und gesellschaftlicher Akzeptanz zu minimieren.
  • Wir fordern, dass die gesamte Wertschöpfungskette betrachtet wird. Neben den Produzenten und Transporteuren sind auch Gespräche mit Verbrauchern und Anwendern zu führen, da es für den produzierten Wasserstoff auch einen Abnahmemarkt geben muss.
  • Wir begrüßen die diversen Ansätze für die Nutzung von Wasserstoff. Dazu gehört die Förderung von Brennstoffzellen durch die KfW, die einen Zuschuss in Höhe von bis zu 40 Prozent der Kosten für Kauf und Einbau gewährt. Die Brennstoffzelle ist eine innovative und hocheffiziente Technologie, die die Strom- und Wärmeerzeugung kombiniert. Wird sie heute noch mit Erdgas betrieben, kann sie in Zukunft problemlos auf Wasserstoff umgestellt werden.
  • Die Inbetriebnahme eines mit Wasserstoff betriebenen Zuges sowie der Aufbau eines Netzes von Wasserstofftankstellen sind wichtige Schritte für den Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur. Die Politik muss auch die möglichen Anwendungsbereiche für Wasserstoff in ihre Planungen aufnehmen. Aktuell gibt es 62 Wasserstoff-Tankstellen in Deutschland, bis 2023 will das Unternehmensnetzwerk H2-Mobility bis zu 400 Wasserstofftankstellen in Deutschland eröffnet haben.
  • Die Politik muss die Weichen stellen, damit auch neue und vielversprechende Technologien weiterentwickelt werden und Marktreife erlangen können. Es ist zu beachten, dass sich die Technologien zur Wasserstofferzeugung teilweise noch im mehr oder weniger frühen Forschungsstadium befinden und noch nicht im benötigten Maßstab zur Verfügung stehen.
  • Politik und Stakeholder sollten vor der Festsetzung eines politischen Grüngasziels rasch und gemeinsam die Klärung wichtiger Vorfragen angehen, beispielsweise im aktuell laufenden Dialogprozess Gas 2030 oder auf europäischer Ebene zusammen mit der Europäischen Kommission. Themen sind dabei u. a. die Klärung von Nachfragepotenzialen nach grünem Gas, energetischen Bilanzen, CO2-Vermeidungskosten und Importpotenzialen bzw. -Restriktionen.
  • Wir fordern, dass politische Grüngasziele auch im Sinne der Versorgungssicherheit vorsichtig und revisionsoffen festgelegt werden.
  • Alle denkbaren Instrumente zur Umsetzung solcher Grüngasziele müssen technologieoffen ausgestaltet werden. Leitgedanke muss stets der diskriminierungsfreie Wettbewerb unter Kosten- und Klimaschutzgesichtspunkten sein – egal, ob dies am Ende die Herstellung von Wasserstoff aus Erdgas oder aus erneuerbaren Energien bedeutet.